Ryogoku: Sumo-Kultur, Hokusai Museum und japanische Traditionen

Ryogoku

Ryogoku kommt oft in den Werken von Ukiyo-e Künstlern wie Hokusai und Hiroshige (Holzschnitt-Druckkunst) vor und ist vor allem die Heimat des weltberühmten typisch japanischen Kampfsports: Sumo. Es bleibt ein erstaunliches Schauspiel. Wrestler, die sich jahrelang fett fressen, um sich in der Arena unter dem zustimmenden Auge der Götter zu bekämpfen. Sumo ist eine ernste Angelegenheit in Japan, für Außenstehende jedoch eine urkomische, unverständliche Kuriosität. Wenn ich meinen Kopf frei bekommen will, zappe ich im Fernsehen jeden Sender durch auf der Suche nach einem Match echtem Sumo.

In den letzten Jahren gerät diese Tradition in Verruf. Ein Wettkampf ist voller langsamer Rituale, die schlecht zum hektischen modernen Leben der Tokyoter passen. In den letzten Jahren importieren sie Wrestler aus der Mongolei, um die Tradition lebendig zu halten. Wandelnd durch Ryogoku kommst du garantiert einem Sumo-Wrestler auf dem Fahrrad entgegen, auf dem Weg zum Training oder im Restaurant, wo er seine tägliche Portion von 8000 Kalorien zu sich nimmt. Dieser Stadtteil lebt im Rhythmus dieser 15 Jahrhunderte alten Kuriosität.

1923 fegt das massive Kanto-Erdbeben diesen Stadtteil vollständig von der Landkarte und der darauffolgende Stadtbrand reduziert den Rest zu Asche. Ryogoku erholt sich während der Zwischenkriegszeit in einem rasanten japanischen Tempo und wächst zum Ende des Jahrhunderts zu einem der Lieblingsstadtteile ausländischer Touristen heran.

Reisetipps für Ryogoku

Kokugikan Stadium

Das Innere des Kokugikan Stadiums während eines Sumo-Turniers mit dem heiligen Dohyo-Ring und tausenden begeisterten Zuschauern
Sumokampf im Kokugikan-Stadion – Ryogoku

Die Chance, dass gerade ein Turnier stattfindet, wenn du in Tokyo bist, ist außerordentlich klein. Es fühlt sich jedoch schon besonders an, das Kokugikan Stadium einmal zu berühren. In diesem Sumo-Stadium, einem heiligen Ort für Sumo-Fans, organisieren sie dreimal im Jahr einen Wettkampf. Im Januar, April und September bekommt Ryogoku wieder Glanz. Bunte Flaggen mit Namen der Champions wehen rund um das Stadium und die Temperatur ringsum steigt sichtbar.

Tickets sind teuer und gehen erst einen Monat im Voraus in den Vorverkauf. Da die Popularität in den letzten Jahren etwas abnimmt, kannst du auch auf Last-Minute-Tickets an den Wettkampftagen selbst warten. Dafür musst du aber früh aus dem Bett und um 7 Uhr morgens an der Infotheke Posten beziehen. Um 8 Uhr öffnen die Schalter.

Wer es nicht dafür übrig hat oder außerhalb der Sumo-Saison Ryogoku besucht, kann ins kostenlose Minimuseum gehen. Hier stehen die Becher der Kampfgewinner aufgestellt. Mehr als das bekommst du nicht zu sehen und trotzdem beschleicht dich das Gefühl, dass du ganz kurz in die Lebenswelt der Sumos eindringen darfst.

Das Kokugikan Stadium wurde 1985 gebaut und hat eine Kapazität von 11.000 Plätzen. Um den Leerstand der Arena entgegenzuwirken, organisieren sie hier heute auch Popkonzerte, WWE-Events (Wrestling) und die Boxkämpfe von Tokyo 2020.

Hokusai Museum

Hokusais berühmte "Große Welle vor Kanagawa" aus den "36 Ansichten des Mount Fuji", das weltweit bekannteste Werk des Künstlers, der sein Leben in Ryogoku verbrachte
„Die große Welle von Kanagawa“, das erste Stück der „36 Gesichter des Berges Fuji“

Katsushika Hokusai gehört zusammen mit Hiroshige zu den größten Ukiyo-e Künstlern. Vincent van Gogh war Fan und ließ sich deutlich inspirieren. Die „36 Ansichten des Mount Fuji“ kennt jeder. Weltweit schmücken Reproduktionen der berühmten Welle die Wohnzimmer. Die Kraft der Globalisierung.

2016 öffnet das Museum im Stadtteil, wo Hokusai die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat. Kazuyo Sejima entwirft ein auffälliges Gebäude mit den Initialen des Künstlers und gewinnt damit internationale Preise.

Regelmäßig werden Ausstellungen organisiert und die bekanntesten Werke hängen gesammelt im Museumssaal. Ich bekomme nicht genug von „Gedränge am Kabuki-Theater, Beginn des elften Monats“ und den verrückten Manga, die Hokusai im späteren Alter zeichnete. Es zeigt seine unzerstörbare Lebenskraft. Erwarte kein großartiges, aber fein ausgearbeitetes Museum. Beginne hier deinen Tag in Ryogoku und blitze dich zurück ins Tokyo des 19. Jahrhunderts.

Arashio Beya (Sumo-Trainingszentrum)

Am Morgen trainieren die Sumo-Wrestler drei Stunden lang. Offiziell heißt das Keiko. Ins Innere eines Keiko-Trainings zu gelangen ist meist aussichtsloses Unterfangen oder eine teure Angelegenheit. Die Sumos nehmen gerne ein Körnchen vom aufkommenden Tourismus mit. Geschichten über Bestechungsgelder sind gang und gäbe.

Bei Arashio Beya darfst du draußen ungestört durch das Glas schauen und Selfies (ohne Blitz) machen. Solange du dich still und unsichtbar verhältst, bist du willkommen.

Am Nachmittag schlafen die Sumo-Wrestler mit einer Sauerstoffmaske. Je mehr sie schlafen, desto weniger Kalorien verbrennen sie.

Alter Bahnhof Ryogoku

Im alten Bahnhof von Ryogoku befindet sich das touristische Informationszentrum. Regelmäßig organisieren sie Festivitäten aus der Edo-Zeit. Einige gute Restaurants und Souvenirläden haben hier Einzug gehalten. Wirklich ein schöner Ort, um mehr Informationen über den Stadtteil zu gewinnen. Das ist übrigens der einzige Ort, wo du einen Dohyo (Sumo-Ring) aus der Nähe bewundern kannst, eine perfekte Konstruktion mit den richtigen Abmessungen und Codes.

Kira Herrenhaus (Gedenkstätte)

Samurai müssen ihren Daimyo (Meister) rächen, wenn dieser zum Seppuku (Harakiri) verurteilt wird. Zumindest wenn wir uns mal in Edo wähnen.

In einer Nacht drangen 47 Ronin (Samurai ohne Meister) in das Kira Herrenhaus ein und enthaupteten den Landesherrn. Diese Racheaktion steht als Genroku Ako-Zwischenfall zu Buche. Der Shogun verurteilte für diesen Mord 46 Ronin zum Tode. Der Jüngste bekam wegen seines jungen Alters Gnade. Diese Geschichte kennt viele Adaptionen in Romanen, Theaterstücken, Fernsehen und Hollywood-Filmen.

Edo-Tokyo Museum

Das futuristische Edo-Tokyo Museum bei Nacht mit seiner charakteristischen Architektur im Metabolismus-Stil, inspiriert von traditionellen Kurazukuri-Bauten
Die eigentümliche Architektur des Edo-Tokyo-Museums, Flickr: OiMax

Die Architektur wirkt auf den ersten Blick viel zu futuristisch für ein ehrgeizig angelegtes Museum rund um die Übergangsgeschichte von Edo zu Tokyo. Davon abgesehen ist die Gestaltung eine perfekte Einführung in den Metabolismus, eine japanische Architekturströmung, die in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts utopische Ideen rund um Gestaltung und Raumordnung entwickelte. Kiyonori Kikutake zeichnet diesen Entwurf 1992 nach dem Vorbild der Kurazukuri, der hölzernen Edo-Stil-Läden, die vollständig aus dem Straßenbild verschwunden sind. Daher die Verbindung zum Museum.

Die originalgetreue Rekonstruktion der Nihonbashi-Brücke im Edo-Tokyo Museum, die die Transformation von Edo zu Tokyo verdeutlicht
Die Nachbildung der Nihonbashi-Brücke – Edo-Tokyo-Museum

Innerhalb des Museums liegt der Fokus auf dem Modernisierungsdrang von Tokyo während der Meiji- und frühen Taisho-Zeit. Die berühmte Nihonbashi-Brücke wurde in wahrer Größe rekonstruiert und du besuchst die inzwischen verschwundene 12-stöckige Pagode aus Asakusa und wandelst durch eine gigantische Nachbildung eines alten Kabuki-Theaters.

Die dazugehörige Erklärung stellt alles in eine klare Perspektive und wenn du dir die Zeit nimmst, kannst du hier wirklich etwas über die schnelle Transformation von Edo zum modernen Tokyo lernen. Ein Besuch im Edo-Tokyo Museum nimmt schnell mehrere Stunden in Anspruch.

Diese Lokation ist vorübergehend bis 2026 geschlossen!

Great Kanto Earthquake Memorial Museum

Dieser Park ist Pflichtprogramm für jeden Touristen. Hier erfährst du, wie zerbrechlich die Erde unter Tokyo ist.

Am 1. September 1923 Punkt 11:58 Uhr dröhnt das vernichtende Kanto-Erdbeben mit einer Stärke von 7,9 auf der Richter-Skala zwei Minuten lang den Tokyo-Boden durcheinander. Ein großer Teil der Stadt liegt in Trümmern. Weil das Beben zur Essenszeit stattfindet, brennen die offenen Küchenfeuer massenhaft und entfesseln zusammen ein versengendes Flammenmeer, das noch mehr Schaden anrichtet als das Beben selbst. Es werden 57 Nachbeben gemessen und zu allem Überfluss trifft an diesem Tag auch noch ein Orkan die Bucht von Tokyo.

Schätzungsweise 140.000 Menschen kommen um, darunter 40.000 Vermisste. In den Wochen nach der Katastrophe entsteht eine Massenhysterie gegenüber den koreanischen Migranten. Das Gerücht, dass sie das Chaos nach dem Beben nutzen wollen, um das Trinkwasser zu vergiften und Gebäude anzuzünden, verbreitet sich schnell. Dadurch finden mehrere unnötige Verhaftungen und Lynchjustiz statt. Fake News, avant la lettre! Im Nachhinein gesehen ist dies einer der ersten nationalistischen Vorboten im Aufmarsch zum Zweiten Weltkrieg. Nach Jahren des Lobbyierens bekommen die koreanischen Opfer an diesem Ort schließlich einen bescheidenen Gedenkstein.

Das übersichtliche, etwas distanzierte Museum in der Mitte des Parks darfst du kostenlos besuchen. Eigentlich musst du dieses Gebäude nur für einen einzigen Gegenstand betreten: das Papier, das die seismographische Messung jenes verhängnisvollen Tages zeigt. Im Moment des Bebens reißt das Papier und die Nadel schlägt völlig aus. Dieses Papier ist der einprägsamste und zeitloseste Zeuge des letzten großen Tokyo-Erdbebens. Jetzt heißt es warten auf das nächste…

Hunger? Essen im Stadtteil

Hosokawa Soba Noodles (Michelin-Stern)

Tokyo hat mehrere Sternerestaurants, wo du für wenig Geld fantastisch essen kannst. Hosokawa Soba versteckt sich in einer Hinterstraße von Ryogoku und zeigt sich von der Straße aus ziemlich verschlossen. Nichts ist weniger wahr. Wage es, die Yatai-Lappen, die den Eingang schmücken, beiseite zu schieben und hineinzugehen.

Du kommst in ein wunderschönes hölzernes Dekor, wo du an Gemeinschaftstischen köstliche Nudeln genießt. Für nur 1080 Yen während des Mittagessens probierst du Seiro Soba, außergewöhnlich und einfach lecker. Schau herum, wie andere die kalten Nudeln in ihre Dashi tauchen, ab und zu mit Wasabi gemischt und alles laut schlürfen. Imitiere diese Handlungen und arbeite dich zu einem wahren Soba-Schlürfmeister hoch. Aus Nachahmung selbst ein Meister zu werden ist vielleicht die Essenz der japanischen Gesellschaft.

Nach dem Mittagessen bekommst du eine Kanne warme Sobayu (Nudelkochwasser), die du mit der übrig gebliebenen Dashi mischst und als Suppe trinkst. Diese Mahlzeit heilt deine Seele.

Öffnungszeiten: 11:30 bis 15:30 Uhr (bis die Soba aufgebraucht ist)
Adresse: 1 Chome-6-5 Kamezawa, Sumida City, Tokyo 130-0014, Japan

Chanko Nabe-Restaurants (Eintopf für Sumo-Wrestler)

Im alten Bahnhof Ryogoku werden die Sumo-Restaurants gepriesen, um so Touristen zu locken und sie buchstäblich mit Schweinepfoten, Sardinen und Haufen Reis vollzustopfen. Diese Chanko Nabe ist ein Eintopf, der speziell für Sumo-Wrestler und ihren Bedarf an 8000 Kalorien pro Tag zusammengestellt wurde. Falls du nicht wirklich Ambitionen hegst, dich als Profi-Wrestler in den Ring zu werfen, würde ich persönlich auf diese Erfahrung verzichten.

  • Adresse: 2-17-6 Ryogoku, Sumida-ku Tokyo

Hananomai Ryogoku

Chanko Nabe schlemmen, während Sumo-Wrestler vor deinen Augen kämpfen? Das wirkt wie das Alte Rom. Kunden sitzen rund um den Dohyo (Sumo-Ring) und schauen dem Wettkampf zu. Junge Sumo-Wrestler sehen hier ihre Chance, viel üben zu können und so einen Yen extra zu verdienen. Sei beruhigt, du kannst hier auch Sushi und gegrilltes Fleisch bestellen, falls du Angst hast, nach der Chanko Nabe als Sumo nach draußen zu stolpern.

Öffnungszeiten: 11:30 bis 14:30 Uhr und 16 bis 23 Uhr
Adresse: 1 Chome-1-15 Kamezawa, Sumida City, Tokyo 130-0014, Japan

Häufig gestellte Fragen zu Ryogoku

Wann finden die Sumo-Turniere im Kokugikan Stadium statt?

  • Die Sumo-Turniere in Tokyo finden dreimal jährlich statt: im Januar, Mai und September. Jedes Turnier dauert 15 Tage. Tickets gehen einen Monat im Voraus in den Verkauf und sind oft schnell ausverkauft.

Kann ich Sumo-Training beobachten, ohne viel Geld zu zahlen?

  • Ja, bei Arashio Beya kannst du kostenlos von außen durch das Fenster das Training beobachten. Das Training findet normalerweise zwischen 6 und 10 Uhr morgens statt. Verhalte dich ruhig und respektvoll.

Marco Logmans ist ein leidenschaftlicher Japan-Experte, der vor 20 Jahren zum ersten Mal Japan besuchte und dort sieben Jahre lebte und arbeitete. Mit viel Liebe für Japan teilt Marco gerne seine Erfahrungen und Eindrücke in seinen Artikeln.

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